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Rheuma ist längst nicht mehr nur das Lieblingsthema von Oma und Opa, wenn sie sonntags zu Besuch kommen. Rund vier Millionen Menschen in Deutschland sind rheumakrank, darunter viele Kinder. Dabei gibt es Rheuma als Krankheit eigentlich nicht. Unter den Sammelbegriff fallen etwa 400 verschiedene Krankheitsbilder, darunter auch Arthrose und Arthritis. Die Arthrose gehört zu den häufigsten Erkrankungen und zu den folgenschwersten, wenn Sie zu spät erkannt und behandelt wird. Welche Behandlungsmöglichkeiten naturheilkundliche Verfahren bieten, lesen Sie in diesem Beitrag.

Wenn die Gelenkbereiche anschwellen und stark schmerzen, so dass die Bewegungsfähigkeit eingeschränkt ist, spricht man von Rheuma. Der Name kommt aus dem Griechischen und bedeutet „alles fließt“. Rheuma ist der Sammelbegriff für rund 400 Krankheiten. Sie werden als Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises bezeichnet und sind in drei Gruppen unterteilt:

► Rheumatische Krankheiten: Sie beruhen ursächlich auf einer Entzündung im Gelenk wie zum Beispiel Arthritis, insbesondere die primär chronische Polyarthritis (PcP), eine an mehreren Gelenken auftretende Dauererkrankung der Gelenke.

► Degenerative Gelenkerkrankungen: Sie beziehen sich auf alle abnützungsbedingt entstandenen Funktionsprobleme der Gelenke einschließlich der Wirbelsäulengelenke. Sind letztere betroffen, sprechen wir von Spondylosen, bei allen anderen Gelenken von Arthrosen.

► Weichteilrheumatismus: Damit sind diejenigen Funktionseinbußen der Gelenke gemeint, die ihren Ursprung außerhalb der Gelenke haben, nämlich an den die Gelenke umgebenden Weichteilen wie Muskeln, Sehnen und Bändern.

Arthrosen sind weltweit die häufigsten Gelenkerkrankungen. Starke Arthrosen haben den Verlust der Gelenkfunktion zur Folge und führen zur körperlichen Behinderung. Arthrose bezeichnet den schmerzhaften, fortschreitenden Verschleiß des Knorpelgewebes an Gelenken und Bandscheiben der Wirbelsäule. Aufgrund der gemeinsamen griechischen Sprachwurzel werden Arthrose und Arthritis oft fälschlicherweise in einen Topf geworfen. Arthrose unterscheidet sich jedoch von der Arthritis auf charakteristische Weise. Wie die Nachsilbe -itis (altgriechisch für Entzündung) schon verrät, ist Ursache oder Ausgangspunkt einer Arthritis stets eine Entzündung. Erst als Folge von dieser werden die Gelenkknorpel und das gelenknahe Knochengewebe geschädigt.
Die Arthrose hingegen beginnt unabhängig von einer Entzündung direkt am Knorpel. Folgende Gegebenheiten können eine solche Knorpelschädigung hervorrufen:

► Fehlstellung eines Gelenks,

► Überlastung und/oder Fehlbelastung eines Gelenks,

► Verletzungen des Knorpelgewebes aufgrund von Stauchungen oder Prellungen, die auch länger zurückliegen können und

► eine mangelhafte Ernährung des Knorpelgewebes, die sich bei Bewegungsarmut und mit zunehmendem Lebensalter ergibt.

Nach Meinung der Ärzte treffen mehrere Faktoren zusammen, wenn eine Arthrose entsteht. Zum einen liegt ein Missverhältnis von Belastung und Belastbarkeit der Gelenke vor. Zum anderen spielt die Störung des Stoffwechsels im Gelenkknorpel eine wichtige Rolle.
Egal welcher auslösende Faktor im Vordergrund der jeweiligen Einzelerkrankung steht, beginnt der Krankheitsprozess stets damit, dass mehr Knorpelbestandteile vom Körper abgebaut als aufgebaut werden. Die Folge: Der Knorpel verliert langsam seine Elastizität und seine Eigenschaften als Stoßdämpfer. Er wird weich, rissig und damit unelastisch. Die im gesunden Zustand glatte Knorpeloberfläche ist aufgeraut und wird durch die Bewegungen des Gelenks immer weiter abgeschliffen.
Das Missverhältnis von Belastung und Belastbarkeit des Knorpels zieht weiteren Knorpelabrieb nach sich. Dabei werden Gelenkkörperchen (Knorpelabrieb) freigesetzt. Der Körper wird in Alarmbereitschaft versetzt, indem unser Körper sogenannte „Killerstoffe“, körpereigene Fresszellen, in das kranke Gelenk schickt. Sie bauen einerseits noch mehr Knorpelsubstanz ab und reizen andererseits die Gelenkinnenhaut. Daraufhin entzündet sich das Gelenk. Der Arzt bezeichnet das als aktivierte Arthrose.
Von Arthrose können grundsätzlich alle Gelenke des Körpers befallen werden, Hüft- und Kniegelenk, aber auch Fingermittel- und Endgelenk, Sprunggelenk oder Schultergelenk. Besonders häufig tritt Arthrose jedoch an den großen Gelenken wie Knie- und Hüftgelenk auf.

 

Entwicklungsstadien – ein Drama in vier Akten
Im ersten Stadium spürt der Patient die Arthrose nicht. Aber auf einer sehr kleinen Fläche ist der Knorpel bereits oberflächlich geschädigt. Im zweiten Stadium kommt es zur sogenannten Morgensteifigkeit des betroffenen Gelenks und zu Anlaufschmerzen. Die Gelenkbeweglichkeit ist eingeschränkt. Im dritten Stadium sind die Knorpelmasse und dementsprechend die Beweglichkeit des Gelenks noch deutlicher reduziert. Stellenweise ist der Knorpel bis auf den Knochen zerstört. Knorpelabriebteilchen, die bei einer Bewegung des Gelenks mit der Gelenkflüssigkeit umgewälzt werden, rufen in der Gelenkinnenhaut schubartig verlaufende Entzündungen hervor. Dabei werden verschiedene Substanzen, die Schmerzen vermitteln (zum Beispiel Arachidonsäure), auf den Plan gerufen. Im vierten und schwersten Stadium wird das Gelenk vollständig steif. Die Knorpelmasse ist restlos aufgelöst, nicht mehr funktionsfähig und der Gelenkspalt schmaler. Die Folge sind schwerste körperliche Behinderungen. Der Mensch mit Arthrose im vierten Stadium braucht ein neues Gelenk.
Der naturheilkundliche Behandlungsansatz berücksichtigt die unterschiedlichen Rheuma- und Arthroseformen. Er ist immer individuell und erfasst den Menschen in seiner ganzen Krankheitsgeschichte.

 

Ernährungstherapie
Tierische Lebensmittel, vor allem Fleisch und Eier, erhöhen die entzündliche Aktivität, weil ein körpereigener Stoff (zum Beispiel die schmerzvermittelnde Arachidonsäure) in vermehrtem Ausmaß gebildet wird. Arthrose- und Arthritispatienten können somit von einer vegetarischen Vollwertkost profitieren.

 

Fasten
Wenn Sie eine Ernährungsumstellung erwägen, sollten Sie damit am besten nach einer Heilfastenkur beginnen. Schon während des Fastens merken die meisten Menschen, dass es ihnen besser geht und die Schmerzen abnehmen. Wer das strenge Null-Fasten nicht verträgt, kann die F. X. Mayr-Kur (Milch-Semmel-Diät) oder das Saftfasten nach Buchinger wählen. In der letzten Zeit setzt sich immer mehr das typgerechte Fasten durch, das persönliche Ernährungsgewohnheiten und Abneigungen integriert. Nach der Fastenkur erfolgt der Kostaufbau mit Obst, viel Gemüse, unter Berücksichtigung einer eiweißärmeren Ernährung.

 

Säure-Basen-Ungleichgewicht
Naturwissenschaftlich ist ein Säure-Basen-Ungleichgewicht im Blut nicht nachweisbar. Der Körper hat sehr feine Regulationsmechanismen, um den pH-Wert konstant zu halten. Trotz dieser Tatsache beobachten Naturheilkundler, dass sich Arthrose- und Arthritis-Beschwerden lindern, wenn „Basensalze“ oder „Entsäuerungssalze“ zugeführt werden. Man sollte dem Körper mindestens drei, besser sechs Wochen Zeit lassen, bevor sich ein erster Erfolg zeigt. In diesem Fall sind die Basensalze weiterhin einzunehmen.

 

Vitamine
Aus Untersuchungen mit vielen Arthrosepatienten ist bekannt, dass hochdosiertes Vitamin E die Schmerzen und Entzündungsneigung der Gelenke reduzieren kann. Die meisten Studienteilnehmer berichteten nach mindestens sechswöchiger Einnahme von circa 500 mg bis 600 mg Vitamin E von einer deutlichen Schmerzabnahme, die mit dem chemischen Schmerzmittel Diclofenac zu vergleichen ist. Der Vorteil von Vitamin E: Es gab selbst nach einer Einnahmedauer von bis zu zwei Jahren trotz der hohen Dosis (normal wären etwa 30 mg/täglich) keine unerwünschten Nebenwirkungen. Vitamin C sollte zusätzlich eingenommen werden. Vitamin C und Vitamin E gehören zu einem körpereigenen Entgiftungssystem und regenerieren sich gegenseitig. Die empfohlene Tagesdosis Vitamin C (circa ein bis zwei Gramm täglich) sollte in mehreren Portionen eingenommen werden.

 

Störfelder behandeln
Störfelder sind krankhaft veränderte Körperbereiche, die in anderen Körperregionen Störungen, Schmerzen und Krankheiten auslösen. Häufige Störfelder sind kranke Zähne (ehemals vereiterte Zähne, nach Zahnfistel-Eiterung oder verlagerte Zähne) und kranke Mandeln. Seltener stören Narben, Nasennebenhöhlen oder der gynäkologische Raum.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Störfelder auszuschalten. Eine der am häufigsten angewandten ist die Neuraltherapie nach Huneke. Aber auch mit Laserlicht, Akupunktur oder der
Neuen Punktuellen Schmerz- und Organtherapie (NPSO) können Störfelder ausgeschaltet werden.

 

Kneipp und Priesnitz
Bäder können die Beschwerden lindern. In der Praxis gebräuchlich sind unter anderem Heublumen, Fichtennadeln und Zinnkraut (Schachtelhalm). Heublumen enthalten verschiedene ätherische Öle, die hautreizend und stoffwechselanregend wirken. Sie werden neben Stoffwechselkrankheiten wie Grieß- und Steinleiden auch bei gichtisch-rheumatischen Zuständen und Gelenkversteifungen angewandt.
Fichtennadeln enthalten ätherische Öle, Terpene und Gerbsäuren. Auch hier steht die hautreizende und stoffwechselanregende Wirkung im Vordergrund. Man nimmt entweder das Vollextrakt oder reine ätherische Öle.
Zinnkraut (Schachtelhalm) hat einen hohen Gehalt an Kieselsäuren, die lokal stoffwechselanregend auf Haut und Bindegewebe, Bänder und Sehnen wirken: Es wird zur Gewebestabilisierung und bei Schwellungszuständen nach Knochenbrüchen/Verstauchungen empfohlen. Nehmen Sie am besten fertige Badeextrakte, da die ätherischen Öle beim Abkochen sonst verloren gehen.
Packungen beziehungsweise Wickel können warm oder kalt angewandt werden. Das richtet sich danach, ob ein akuter Entzündungszustand (Arthritis: dann meistens kalt) vorherrscht, oder ein chronisch-degenerativer Prozess (Arthrose: dann meistens warm). Als Warmanwendung empfehle ich Heusäcke oder Moorpackungen.
Die Heusäcke werden zum Beispiel in einem Dampfkochtopf erhitzt und auf das schmerzende Gelenk gelegt. Nach dem Dämpfen gut ausklopfen. Der Heusack ist sonst zu heiß.
Kalte Wickel mit Beinwell (Symphytum), Quark oder mit Retterspitz äußerlich sind ausgesprochen wohltuend. Dafür tauchen Sie ein Leintuch in kaltes Wasser, wringen es aus und streichen das Beinwellgel oder den Quark darauf. Die Wickel (kalt oder warm je nach Bedürfnis) legen Sie auf das schmerzende Gelenk. Zur Wärme/Kälte-Isolation wird ein weiteres, größeres Tuch aus Baumwolle oder Wolle darum gewickelt. Der Wickel wird gewechselt, wenn er warm erscheint.
Bei chronischen Arthrosen kann auch ein kalter Wickel als Langzeitwickel zur Wärmeerzeugung eingesetzt werden. Der Wickel muss eineinhalb bis zwei Stunden am Gelenk liegen. Der Körper heizt ihn mit eigener Wärme auf. Dadurch wird das Gelenk stärker durchblutet.

 

Ozon-Sauerstoff-Behandlung
Ozon ist eine besondere Form des Sauerstoffs. In manchen chronischen Fällen, insbesondere bei Knie- und Hüftarthrose sowie bei Kreuzbein-Darmbein-Gelenksblockaden habe ich durch Injektion eines Ozon-Sauerstoff-Gemisches in das Gelenk festgestellt, dass der Schmerz erheblich nachließ.
Da Ozon bei der Injektion brennt, empfiehlt sich eine vorherige lokale Betäubung mit einem Neuraltherapeutikum, dass zudem einen heilungsfördernden Einfluss hat.

 

Thymus- und Zellextrakte
Zellextrakte werden aus tierischen embryonalen Körperzellen gewonnen, zum Beispiel Thymusextrakt. Es hat, wie Studien zeigten, eine entzündungshemmende und schmerzstillende Wirkung. Es genügt, die Thymusextrakte an die Gelenkkapsel zu spritzen. Eine Injektion in das Gelenk ist nicht notwendig. Die Zellextrakte sind zwar keine Wundermittel, die Erfolge jedoch ermutigend.

 

Ausleitung der Krankheit
Baunscheidtieren: Seit mehr als 100 Jahren wenden Naturheilkundler das Baunscheidtverfahren bei Arthrose an. Dieser Methode liegt die Beobachtung zugrunde, dass sich Arthrosebeschwerden deutlich besseren, wenn ein hautreizendes und lokal entzündungsförderndes Mittel eingesetzt wird. Als Hautreizmittel bringt der Arzt ein sogenanntes Baunscheidtöl mittels eines Stichlers auf die Haut. Der Stichler (sieht aus wie ein Igel) soll nur die oberste Hautschicht etwas anritzen, damit das Öl die feineren, weicheren Hautschichten besser erreichen kann. Nach der Behandlung entsteht – je nach Öl und Intensität der Stichelung – eine deutliche Hautrötung, manchmal auch eine (erwünschte) eitrige Entzündung. Über diese werden Krankheitsstoffe aus dem Körper „ausgeleitet „. Die Folge: Das Gelenk ist weniger entzündet, schwillt ab und die Beweglichkeit nimmt zu.

Cantharidenpflaster: Die kräftigere Variante zum Baunscheidtieren ist das Cantharidenpflaster. Es wurde nach der Spanischen Fliege benannt, die zu seiner Herstellung verwandt wird. Das Gift der Spanischen Fliege verursacht eine Art Verbrennung der Haut. Innerhalb von 24 Stunden kommt es zu einer Blasenbildung. Wenn die Blasen abgetragen sind, tritt mehrere Tage lang ein zunächst trübes, später etwas eitriges Sekret aus. Das Cantharidenpflaster zeigte eine sehr gute Heilanzeige in sogenannten aussichtslosen Fällen, bei denen es bereits zu einer Gelenkversteifung kam. Gegenanzeige: Bei Nieren- und Blasenerkrankungen sollte das Cantharidenpflaster wegen der reizenden Wirkung nicht verwendet werden.

 

Heilpflanzen
Zur Behandlung von rheumatischen und arthrotischen Beschwerden empfehlen sich unter anderem Brennnessel, Weidenrinde, Mistel und Gemeiner Beinwell.

Brennnessel: In der Erfahrungsheilkunde gilt sie als wassertreibendes Medikament. Die Brennnessel fördert die Ausscheidung von Harnsäure über die Nieren und ist bei Gicht, Rheuma, Arthritis, Nieren- und Blasenbeschwerden, Gallen- und Leberleiden sowie chronischen Hauterkrankungen angezeigt. Der entzündungshemmenden Eigenschaft der Brennnessel kommt in der Arthrosebehandlung besondere Bedeutung zu. Studien zufolge ließ sich der Krankheitsverlauf durch die Verabreichung von Medikamenten aus Brennnesselextrakt positiv beeinflussen. Die Schmerzen ließen nach, und der Schmerzmittelverbrauch nahm ab.
Für eine Blut- und Säftereinigungskur nimmt man den Saft (zwei Teelöffel auf eine Tasse Wasser) oder den standardisierten Brennnesselpresssaft aus der Apotheke. Brennnesseln dürfen nicht angewandt werden, wenn die Wasseransammlungen im Körper auf eine eingeschränkte Herz- oder Nierentätigkeit zurückzuführen sind.

Weidenrinde der Purpurweide: In der Weidenrinde kommt die Salicylsäure vor. Seit einiger Zeit gibt es ein gut verträgliches Salicylsäurepräparat aus Weidenrinde zur Behandlung von Rheuma, das auch magenverträglich ist.

Gemeiner Beinwell: Wegen seiner entzündungshemmenden und blutstillenden Wirkung wird er bei Knochenverletzungen, Gelenkschmerzen, Prellungen, schlecht heilenden Wunden und Drüsenschwellungen sehr geschätzt. Beinwell wird bevorzugt als Umschlag eingesetzt. Aber auch die innerliche Anwendung als homöopathisches Mittel wirkt gut.

 

Bewegungstherapie
Nur Gelenke, die bewegt werden, bleiben gelenkig. Das Einfachste, was Sie machen können, ist die morgendliche Frühgymnastik. Oder versuchen Sie es mit Wassergymnastik im warmen Wasser. Ein anderer Vorschlag, insbesondere für Hüftarthrose und Kniearthrose: Standradfahren oder Radfahren ohne körperliche Anstrengung. Sind die Gelenke zu sehr „eingerostet“, hilft nur noch professionelle Hilfe. Die klassische Krankengymnastik verschafft meist Linderung.

 

Autor:
Andreas Jansen, Jahrgang 1960, ist Arzt für Homöopathie und Naturheilverfahren. Er studierte Medizin an der Universität Tübingen. lnternistische und chirurgische Weiterbildung. Zwei Jahre als Kneipparzt in Bad Wörrishofen. Seit fünf Jahren in Lindau/ Bodensee niedergelassen mit Schwerpunkt: Wirbelsäulen- und lschiasbehandlung, Arthrosetherapie, Neurodermitis- und Allergiebehandlung.

Entnommen aus dem „Naturarzt“ Januar 2001

 

Weiterführende Literatur:
R. F. Weiß: Lehrbuch der Phythotherapie. Hippokrates, Stuttgart, 1991 M. 0. Bruker: Gesund durch richtiges Essen, Goldmann, München, 1999

Unter Rheuma versteht man ziehende, reißende oder fließende Schmerzen am Muskel- und Skelettsystem. Dahinter verbergen sich die verschiedensten Krankheiten. Medizinisch korrekt heißt es daher: Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises. Bei den entzündlichen Formen, wie chronische Polyarthritis, Morbus Bechterew oder der Arthritis bei Schuppenflechte, handelt es sich um ein Autoimmungeschehen, bei dem Abwehrzellen körpereigenes Gewebe angreifen. Die eigentliche Ursache ist zwar noch nicht geklärt, trotzdem gibt es erfolgreiche Behandlungsstrategien.

Der enorme Einfluss der Ernährung auf das rheumatische Geschehen ist nicht nur eine uralte Annahme der Naturheilkunde, sondern fasst sich seit einiger Zeit auch bis ins Detail erklären (siehe „Akteure des Rheumas und ihre Gegenspieler“).

 

Freie Radikale mit Selen unschädlich machen

Eine bedeutende Rolle bei dieser Erkrankung spielen sogenannte freie Radikale. Das sind chemisch hochreaktive Moleküle, die biologisches Material, wie z. B. Zellmembranen, das Erbgut (DNS) oder Fettsäuren, angreifen und schädigen können. Diese aggressiven Radikale bildet der Körper entweder selbst, um z. B. Krankheitserreger abzuwehren, oder sie entstehen als Nebenprodukt der Atmung sowie durch Umwelteinflüsse (z.B. Strahlung, Chemikalien, Zigarettenrauch). Da besonders bei Entzündungsprozessen vermehrt freie Radikale anfallen, besteht bei Rheuma mit seiner chronisch erhöhten Entzündungsaktivität eine besondere Belastung mit freien Radikalen. Sie sind letztendlich für die Gelenkzerstörungen maßgeblich mitverantwortlich.

Der Organismus verfügt über eine Vielzahl von Abwehrmechanismen. Eines der wichtigsten Enzyme in diesem Zusammenhang ist die antioxidativ wirksame Glutathionperoxidase, die nur bei guter Selen-Versorgung in ausreichendem Maß entstehen kann. Im Blut von Rheumapatienten hat man jedoch erniedrigte Selen-Werte im Vergleich zu Gesunden gefunden.

Einige klinische Studien haben ergeben, dass Selen-Gaben bei Rheuma tatsächlich zu einer deutlichen Schmerzreduktion, weniger Morgensteifigkeit und einer Abnahme der Gelenkschwellungen führen können. Eine Dosis von 100-200 μg täglich wird als sinnvoll und unschädlich angesehen. Am besten fährt man, wenn die Selentherapie anhand des Selenspiegels im Blut gesteuert wird. Dabei sollten Patienten mit Rheuma Selenwerte im oberen Normbereich oder knapp darüber anstreben. Dies ist mit konventioneller Ernährung praktisch nicht erreichbar. Eine preiswerte und hochdosierte Selentherapie kann beispielsweise mit Cefasel® 300 oder selen-loges® 300 (rezeptpflichtig), jeden zweiten Tag eine Tablette, erreicht werden.

 

Vitamine E und C dürfen im Therapieprogramm nicht fehlen

Das andere Antioxidans, dem hier große Bedeutung beikommt, ist das Vitamin E. Um deutliche antioxidative Wirkungen zu erzielen, sind so hohe Mengen erforderlich, wie sie mit der Ernährung nicht mehr zu erreichen sind. Eine Gabe von 800-1200 IE täglich sollte über längere Zeit durchgeführt werden. Man müsste etwa zwei Liter des an Vitamin E besonders reichen Sonnenblumenöls verzehren, um in diesen Dosisbereich zu gelangen.

Schädliche Nebenwirkungen wurden auch bei dieser „Mega-Therapie“ bisher nicht beobachtet. Es gibt eine Vielzahl von klinischen Studien, die einen Effekt von Vitamin E bei entzündlichen Gelenkerkrankungen belegen. Vitamin-E-Präparate sollten keine synthetisch hergestellten Substanzen enthalten, sondern natürliches Vitamin E (Pflanzenöldestillat mit RRR- α-Tocopherol), da dieses vermutlich wesentlich besser wirkt, so z. B. Mowivit® 1000 (1 x 1), Mowivit® 600 (2 x 1) oder E-Vitamin-ratiopharm 600 (2 x 1). Die Negativmeldungen über Vitamin E, die in letzter Zeit in der Presse auftauchten, sind auf die Nichtbeachtung dieser Tatsache zurückzuführen.

Bei Rheuma kommt es durch die Entzündung und die vermehrte Freisetzung von freien Radikalen nicht nur zu einem Mangel an Vitamin E, sondern auch an Vitamin C. Patienten mit Rheuma haben oft einen erniedrigten Vitamin-C-Spiegel. Vitamin C ist außerdem in der Lage, „verbrauchtes Vitamin E“ wieder zu regenerieren. Beide Vitamine unterstützen sich gegenseitig. Sie sollten mehrere Gramm täglich (z. B. 3 x 1/4 TL bei Verträglichkeit) zuführen, im Schub gegebenenfalls mehr, eventuell sogar Infusionen mit 7,5 bis 15 g Vitamin C.

 

Auch Vitamin D unterstützt die Rheumabehandlung

Neueste Forschungen zeigen, dass Vitamin D nicht nur für den Knochen eine wichtige Rolle spielt, sondern auch in einem Zusammenhang mit Autoimmunkrankheiten wie Rheuma steht. Viele Menschen in Mitteleuropa haben erniedrigte Vitamin-D-Spiegel, die nicht nur Osteoporose, sondern auch Rheuma begünstigen. Manchmal sind die Vitamin-D-Spiegel sogar trotz Vitamin-D-Einnahme relativ niedrig. Unter Vitamin-D-Kontrollen kann dann die optimale Dosis herausgefunden werden, die oft weit über der normalerweise empfohlenen liegt. Eine Dosis von 1000-2000 IE Vitamin D ist meist erforderlich, z. B. Vitamin D3-Hevert Tabl. oder Vigantoletten® 1000, 1-2 pro Tag.

 

Omega-3-Fettsäuren dämmen die Entzündung erheblich ein

Omega-3-Fettsäuren sind Bestandteile des berühmten Fischöls. Es handelt sich um mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Sie können vom Menschen nicht gebildet werden. Während die Zufuhr an Linolsäure (Omega-6-Fettsäure) in der deutschen Bevölkerung als ausreichend angesehen werden kann, ist die Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren keineswegs befriedigend. Das liegt daran, dass nur wenige Lebensmittel nennenswerte Mengen dieser wichtigen Fettsäuren aufweisen:

Fischöl circa 30 %
Leinöl 58%
Hanföl 20%
Rapsöl 10 %
Soja-, Walnussöl 5-7 %
Weizenkeimöl 5-7 %

 

Fische sind umso reicher an diesen Säuren, je fetter sie sind und je kälter das Wasser ist, in dem sie aufwachsen. Hering, Makrele, Thunfisch und Lachs eignen sich besonders gut, wenn man sich eine große Menge dieses Stoffes zuführen möchte, besonders wenn die Fische im Nordmeer gefangen wurden.

Allerdings ist aus ökologischen Gründen vom häufigen Fischverzehr inzwischen abzuraten. Die Fischbestände sind durch Überfischung stark dezimiert und die Fische zudem mit Schadstoffen sehr belastet. Bevorzugen Sie deshalb erstens Fisch aus Bio-Kulturen oder nachhaltigem Fischfang, erkennbar am MSC-Siegel. Aus ökologischen Gründen sollten wir zweitens andere Fettsäure-Quellen nutzen: Auch einige Pflanzenöle weisen relevante Mengen davon auf. Die Öle müssen immer kalt gepresst sein, da gerade die wertvollen Omega-3-Fettsäuren bei Raffinationsprozessen zerstört werden.

Omega-3-Fettsäuren behindern die Entstehung sowohl von entzündungsfördernden Prostaglandinen als auch von Leukotrienen, die mit den Prostaglandinen verwandt sind. Mit der Zufuhr von mindestens 2 g Omega-3-Fettsäuren pro Tag lassen sich die erwünschten Effekte erzielen. Spürbare Auswirkungen sind allerdings erst nach einigen Wochen bis Monaten zu erwarten, da die Fettsäure-Pools im Organismus nur langsam ausgetauscht werden und es entsprechend lang dauert, bis die Arachidonsäure durch Omega-3-Fettsäuren verdrängt wird.

 

Arachidonsäure meiden: Verzicht auf tierische Fette!

Studien belegen mittlerweile, dass entzündliche Erkrankungen wie Rheuma, Psoriasis oder chronische Darmentzündungen unter einer Omega-3-fettsäurereichen Diät oder Gabe von entsprechenden Nahrungsergänzungen eine Besserung bzw. eine geringere Rezidivhäufigkeit aufweisen. Bei Eskimos, die natürlicherweise sehr viele Omega-3-Fettsäuren verzehren, sollen diese Krankheiten fast nicht vorkommen. Wenn Eskimos aber in die USA oder nach Dänemark emigrieren, gleichen sich die Erkrankungsraten denen der Einheimischen an. Das beweist, dass nicht genetische, sondern Umweltfaktoren (in erster Linie wohl Ernährung) für den Schutz der Eskimos vor entzündlichen Krankheiten verantwortlich sind.

Für alle hier beschriebenen Nährstoffe sind günstige Effekte auf entzündliche Erkrankungen wie das Rheuma belegt. Da diese Mittel teilweise an unterschiedlichen Punkten im Arachidonsäure-Stoffwechsel ansetzen, sollte sich mit einer kombinierten Therapie (siehe Kasten „Therapie bei Rheuma“) die entzündungshemmmende Wirkung ergänzen und verstärken. Hierzu gibt es allerdings noch keine Studien.

 

Therapie bei Rheuma

► Gegebenenfalls schulmedizinische Rheuma-Therapie

► Vitamin C mindestens 3 x 1 g, im Schub noch mehr

► Selen 100-200 μg, im Schub 300 μg

► Vitamin E 1000-1200 IE

► Omega-3-Fettsäuren mindestens 2 g pro Tag: 6-12 Fischölkapseln oder 2 TL Lein- oder Hanföl (z. B. auf Pellkartoffeln oder Brot, in Suppe oder Salat)

► Vorwiegend vegetarische Kost unter Verzicht auf Pflanzenöle mit viel Omega-6-Fettsäuren (Sonnenblumen- und Distelöl)

► Viel Bewegung, ohne Belastung der Gelenke, z. B. mit Radfahren, Schwimmen, Nordic Walking oder Gymnastik

 

Sinnvollerweise ergänzt eine überwiegend vegetarische Ernährung mit weitreichendem Verzicht auf tierische Fette eine solche Kombinationstherapie. Dadurch wird einerseits die Zufuhr von Arachidonsäure vermindert, so dass das Gleichgewicht noch weiter zu Gunsten der „entzündungshemmenden Fettsäuren“ verschoben wird. Zum anderen ist bei vegetarischer Kost gleichzeitig eine höhere Zufuhr an weiteren antioxidativen Nährstoffen besser gewährleistet: in erster Linie Vitamin A bzw. Betakarotin und Vitamin C, aber auch bioaktive, sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe, von denen mittlerweile antioxidative Effekte bekannt sind (z. B. Anthocyane in der roten Traube). Omega-6-reiche Pflanzenöle wie Sonnenblumen- oder Distelöl sollten Sie bei Rheuma eher meiden.

 

Besserung sollte bereits nach vier Wochen eintreten

Die Auswirkungen einer solchen Therapie müssten – bei gleichzeitiger sonstiger antirheumatischer Medikation – etwa nach vier Wochen subjektiv deutlich spürbar sein. Auch Entzündungswerte im Blut können sich dann bereits verbessern. Die Effekte werden in der Regel nach mehreren Monaten bis zu einem Jahr optimal ausgeprägt sein. Sollten nach etwa drei Monaten keinerlei positive Veränderungen bemerkt werden spielen der Arachidonsäure-Stoffwechsel und die freien Radikale hier wohl keine große Rolle; diese Therapie braucht dann nicht mehr fortgeführt zu werden.

Die Erfahrung zeigt aber, dass die meisten Patienten mit Rheuma auf ein solches Programm gut, in Einzelfällen sogar sehr gut ansprechen. Bei entsprechender subjektiver und objektiver Besserung können möglicherweise nach und nach die konventionellen Antirheumatika ausgeschlichen werden. Dies sollte aber immer mit dem behandelnden Arzt abgesprochen werden, wie auch die gesamte Kombi-Therapie, besonders die Mengen der jeweiligen Nährstoffe.

 

Autor:

Dr. med. Volker Schmiedel, Jahrgang 1958, ist Facharzt für physikalische und rehabilitative Medizin mit den Zusatzbezeichnungen Naturheilverfahren und Homöopathie. Seine wissenschaftliche Arbeit konzentriert sich auf die Gebiete Fettstoffwechselstörungen und Ernährung. Er ist Chefarzt der Inneren Abteilung der Habichtswaldklinik in Kassel.

 

Entnommen aus dem „Naturarzt“ April 2007

 

Akteure des Rheumas und ihre Gegenspieler

Wenn Rheumatiker die Zufuhr von Arachidonsäure mit der Nahrung einschränken würden, bräuchten sie nicht so viele Medikamente, die dann verhindern, dass daraus entzündungsfördernde Substanzen gebildet werden.

Aus Untersuchungen der letzten Jahre wissen wir, dass bestimmte entzündungsfördernde Botenstoffe im Körper an der Entstehung beziehungsweise Verstärkung von Rheuma beteiligt sind. Diese Botenstoffe entstehen aus der Arachidonsäure, einer mehrfach ungesättigten Fettsäure, die mit der Nahrung zugeführt oder aus Linolsäure im Organismus selbst gebildet wird. Generell sind tierische Fette arachidonsäurereich, pflanzliche Fette arachidonsäurearm. Aus der Arachidonsäure kann eine Vielzahl von Folgeprodukten gebildet werden (Prostaglandine der Gruppe 2, Leukotriene), die u. a. Entzündungsaktivität, Blutgerinnung, Fettstoffwechsel, Wasserhaushalt und Blutdruck beeinflussen.

Die übliche schulmedizinische Therapie bei Rheuma zielt auf die Hemmung der entzündlichen Aktivität durch nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) oder Kortisonpräparate ab. Kortison unterdrückt die Synthese von Arachidonsäure aus körpereigenen Omega-6-Fettsäuren (z. B. der Linolsäure) und damit auch die Entstehung entzündungsfördernder Leukotriene und Prostaglandine.

NSAR hemmen die Bildung von Prostaglandin und mindern auf diese Weise die Entzündungsaktivität. Arachidonsäure und ihre „Gegenspieler“, die Omega-3-Fettsäuren, können mittlerweile auch im Blut gemessen werden. Dabei sollte ein Quotient zwischen den entzündungsfördernden Omega-6- und den entzündungshemmenden Omega-3-Fettsäuren von unter 3,5 angestrebt werden. (Speziallabore, die solche Messungen durchführen, sind: Ganzimmun, Hans-Böckler-Str. 109, 55128 Mainz oder Labor Dr. Bayer, Bopserwaldstr. 26, 70184 Stuttgart.)

Aus den Zwischenprodukten des Arachidonsäure-Stoffwechsels entstehen außerdem freie Radikale. Deshalb spielen Antioxidantien in der Rheumatherapie eine so wichtige Rolle, weil sie diese unschädlich machen können.