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Zwei Naturarzt-Autoren beschäftigen sich mit unterschiedlichen Facetten des Themas Sonnenstrahlung. Während HP Christian Zehenter Bedeutung und Möglichkeiten des Sonnenschutzes beschreibt, legt Dr. med. Konrad Taubert ein Plädoyer für die fast vergessenen heilsamen Wirkungen des Sonnenlichts vor. Einander ergänzende und gegeneinander abzuwägende Argumente sind bei diesen unterschiedlichen Standpunkten vorprogrammiert. Es lohnt sich, beide Positionen zu überdenken, und letztendlich entscheidet – wie so oft – auch das richtige Maß.

 

Sonnenlicht ist ein Lebenselixier für Haut, Immunsystem, Psyche und Stoffwechsel. Doch kann die natürliche UV-Strahlung zwischen April und August binnen 15 Minuten Haut-, Augen- und Gefäßschäden, langfristig sogar Hautkrebs verursachen. Bis zur Hälfte der UV-Strahlung durchdringt auch Wolken, Kleidung und Sonnenschirme. Stress pur für die Haut. Daher kommt es auf richtigen Sonnenschutz an.

 

Bis ins frühe 20. Jahrhundert galt eine helle Haut als schick, weshalb Hüte und Sonnenschirme überall Verwendung fanden. Einerseits traten hierdurch seltener Hautkrankheiten auf. Leicht stellte sich jedoch andererseits ein Vitamin-D- und damit ein Kalziummangel ein, denn Vitamin D entsteht vor allem in UV-bestrahlter Haut und stellt Kalzium für Muskeln, Nerven, Stoffwechsel, Knochen und Zähne bereit. Befindlichkeits-, Konzentrations-, Muskel- und Nervenstörungen sowie eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit sind häufige Folgen, in ausgeprägten Fällen auch Knochen- und Gelenkdeformationen.

 

Sonnenlicht belebt den Menschen seelisch und körperlich. Es stimuliert den Stoffwechsel (auch der Haut), aktiviert unser Immunsystem und wirkt stimmungsaufhellend. Im Winter gehören daher 20 Minuten direkte Sonne zum gesunden Alltag. Neben einem steigenden Vitamin-D-Spiegel gehen damit auch Hautstörungen wie Neurodermitis und Schuppenflechte zurück. Doch im Sommer trifft gegenüber dem Winter pro Tag etwa die 50-fache Sonnenstrahlung auf die Erde! Alle Lebewesen verfügen dazu über einen natürlich Schutz, ob Fell, Gefieder, Schuppen, Panzer oder Wachsschicht – bis auf den Menschen. Denn mit der Verwendung von Kleidung verlor er in der Evolution sein Haarkleid bis auf „ästhetische Reste“ und konnte sich damit der meisten Parasiten entledigen, für den Preis langer, schützender Kleidung und einer angepassten Hautfarbe: Völker in Äquatornähe wehren mit einer dunklen Haut die energiereiche Strahlung ab, während sie in Richtung der Pole immer heller und durchscheinender wird, um ausreichend davon aufzunehmen.

 

Doch das Gleichgewicht hat sich verschoben: Denn aufgrund des Ozonabbaus in der oberen Atmosphäre infolge der früher als Treibgas und Kühlmittel verwendeten FCKW stieg die UV-Strahlung in den letzten Jahrzehnten um 15 Prozent an. Obwohl dies schon in den frühen 70er-Jahren bekannt war, wurde die FCKW-Verwendung erst 1987 (endgültig 1992) gestoppt.

 

Hautalterung, Netzhautschäden durch Sonnen-Überdosis 

Gleichzeitig galt bis zu dieser Zeit eine markig gebräunte Haut als Sinnbild für Jugend und Gesundheit. Die Spätschäden wurden bald offensichtlich: vorzeitige Hautalterung, unzählige Leberflecken, Hautkrebs, grauer Star, Augen- und Bindehautentzündungen sowie Netzhautschäden wie die stetig zunehmende Makuladegeneration (Zerstörung der Netzhaut im Bereich der Blickfeldmitte) – rund 35 Prozent der über 75-Jährigen leiden darunter, mit Einschränkung der Sehfähigkeit bis hin zur Erblindung.

 

Auch das Immunsystem, das von maßvoller Sonnenbestrahlung durchaus profitiert , wird durch überdosierte UV-Strahlung (hierbei geht es jeweils vor allem um UVB-Strahlung) geschwächt, was Infekte, Allergien und wiederum die Krebsentstehung fördern kann.

 

Gegen maßvolle UV-Strahlung verfügt die Haut über bewährte Schutzmechanismen: Bei Sonnenbestrahlung bilden die Pigmentzellen (Melanozyten) mehr Farbstoff (Melanin) und wandern aus tiefen Hautschichten an die Oberfläche – die Haut bräunt. Zudem verdickt sich die Hornhaut. Man spricht von einer „Lichtschwiele“. Doch beide Schutzmechanismen benötigen zwei bis drei Wochen, um sich voll zu entfalten. Stimmen Sie Ihre Haut daher vor einem Urlaub schrittweise auf die Sonne ein, z. B. mit zunächst fünf Minuten direkter Sonne ab 15 Uhr und einer Steigerung von täglich zwei Minuten über drei Wochen.

 

Grundsätzlich sollten Sie Ihre Haut jedoch zwischen April und August von 10 bis 15 Uhr möglichst wenig der direkten Sonne aussetzen. Tun Sie es den Einwohnern südlicher Länder gleich und bleiben Sie in dieser Zeit im Haus, zumindest aber im totalen Schatten (z. B. Ziegel- oder Holzdach) Tragen Sie im Freien lange, undurchsichtige Kleidung und eine Kopfbedeckung, unabhängig vom Wetter. Achtung: Was wir wahrnehmen, ist allein die harmlose Infrarotstrahlung, nicht die aggressive UV-Strahlung. Daher verleitet der Fahrtwind auf einem Schiff oder Fahrzeug ebenso zur Sonnenüberdosis wie kühles Wetter. Im Gebirge kommen erhöhte UV-Strahlung mit niedrigen Temperaturen zusammen, am Meer spiegelnde Wasseroberflächen mit frischem Seewind. Bekamen Sie schon einmal einen Sonnenbrand bei geschlossener Wolkendecke, unter Ihrer Kleidung oder einem Sonnenschirm? Dies ist häufig der Fall, da nahezu überall UV-Strahlung vorhanden ist, wo Sonnenlicht hinfällt, ob unter Wolken, Markisen, Sonnenschirmen oder dünner Kleidung – jeweils etwa bis zu 50 Prozent.

 

Sonnenschutzmittel – Lizenz zum Sonnenbad? 

Sonnencremes versprechen ungestraftes Sonnenbaden über Stunden: Ein Lichtschutzfaktor (LSF) von 30 verlängert die Zeit, die Sie unbeschadet in der prallen Mittagssonne verbringen können, angeblich um das 30-Fache, also z. B. 7,5 Stunden statt 15 Minuten. Hoffentlich haben Sie dies nie ausprobiert, denn das Ergebnis wäre wahrscheinlich eine großflächige Hautverbrennung mit gefährlicher Kreislaufbeeinträchtigung: Der Lichtschutzfaktor gilt nur für Laborbedingungen und sollte etwa bei einem Fünftel der angegebenen Werte angesetzt werden. Cremes – auch „wasserfeste“ Produkte – werden außerdem durch Schweiß und Wasser größtenteils abgewaschen oder mit dem Abtrocknen entfernt und zersetzen sich ohnedies innerhalb einer Stunde. Erneutes Eincremen ist erforderlich, entfaltet seine volle Wirkung allerdings erst nach 30 Minuten.

 

Zum anderen verursachen die Zusätze von Sonnencremes unter anderem Allergien und „Mallorca-Akne“: Die akneartigen Knötchen werden vor allem durch Emulgatoren, Duft- und Konservierungsstoffe ausgelöst. Zudem enthalten Sonnencremes normalerweise chemische Filter – Substanzen mit Namen wie Benzophenon, Trisiloxan oder Drometrizol, die in die Haut eindringen und UV-Licht in harmloses Infrarotlicht umwandeln. Ihre hormonartige Wirkung steht allerdings im Verdacht, das System der Schilddrüsen- und Sexualhormone zu beeinträchtigen und hormonsensible Krebsarten (z.B. viele Brustkrebsformen) zu begünstigen.

 

Dennoch sind Sonnenschutzmittel gesünder als Sonnenbrand: Wenn Sie also Ihre Haut länger als zehn Minuten direkter Sonne aussetzen, sollten Sie mindestens 30 Minuten zuvor eine Sonnenschutzcreme mit hohem Lichtschutzfaktor (20 oder höher) auftragen. Diese sollte licht-, wasser-, schweiß- und hitzebeständig sein und sowohl vor UV-B-Strahlung, die Sonnenbrand verursacht, als auch vor UV-A-Strahlung schützen, die z. B. Hautalterung und „Sonnenallergie“ (20 Prozent, meist Frauen zwischen 20 und 40 Jahren) zur Folge hat. Aufgrund der Zersetzung oder dem Abtragen der Filtersubstanzen sollte stündlich nachgecremt werden.

 

Mineralische Filter, die häufig in Naturkosmetika Verwendung finden, schützen die Haut mit feinstem Zink-, Magnesium- oder Titanoxidpuder und können deshalb ab LSF 20 weißlich schimmern. Sie sind nach bisherigem Wissensstand deutlich verträglicher als die chemischen Varianten. Doch muss hier besonders auf Zuverlässigkeit, Wasserbeständigkeit und gründliches Auftragen geachtet werden. Tipp: Setzen Sie Sonnenschutzmittel zunächst versuchsweise auf kleinen Flächen ein, ohne einen ausgeprägten Sonnenbrand oder eine Hautreaktion zu riskieren.

 

Sonnenschutzmittel sind für verschiedene Hauttypen (mehr fettend oder feuchtend) und Zielgruppen (Sportler, Urlauber, Bergsteiger) erhältlich. Normalerweise reicht LSF 20 aus, bei sonnenempfindlicher Haut oder hoher Bestrahlung (z. B. Gebirge) bietet sich ein Sunblocker (ab LSF 40) an. Achten Sie beim Eincremen darauf, auch schwer erreichbare Hautpartien wie Ohren, Lippen (hier evtl. Sonnenschutz-Lippenstift) sowie lichtdurchlässig behaarte Bereiche zu erfassen. Die Mittel eignen sich nicht für den täglichen Dauergebrauch oder gar als Freibrief, die Haut gezielt der Sonne auszusetzen. Bräunungscremes schützen übrigens ebenso wenig vor der Sonne wie Solarienbesuche.

 

Auch bestimmte Nahrungsmittel bieten einen gewissen Sonnenschutz, etwa im Bereich von Lichtschutzfaktor 1. Zwar können sie es damit nicht mit Sonnenschutzmitteln aufnehmen, sie verdoppeln aber immerhin die Widerstandsfähigkeit der Haut. Wer z. B. reichlich Tomaten (besonders Tomatenmark) isst, schützt seine Haut durch die enthaltenen Lykopine. Auch Sanddornfrüchte (z. B. als Fruchtfleischöl, täglich 3-mal 10 Tropfen zwei Wochen vor dem Urlaub), Karotten, Paprika und Heidelbeeren (Betakarotin) besitzen Sonnenschutzeigenschaften, während Sellerie und Pastinaken die Sonnenempfindlichkeit leicht erhöhen.

Verschiedene weitere Mittel machen ebenfalls vorübergehend sonnenempfindlicher, darunter Antibiotika, Schmerz-, Akne- und Entwässerungsmedikamente, viele Psychopharmaka, Entzündungshemmer, Johanniskraut, Duftstoffe in Kosmetika (Parfüm, Waschlotion etc.) sowie Insektenspray. Letzteres führt bei gleichzeitiger Verwendung von Sonnenschutzmitteln häufig zu Unverträglichkeitsreaktionen.

 

Sonnenbrand: lebenslang im „Hauptgedächtnis“ 

Ein Sonnenbrand ist medizinisch eine Verbrennung ersten (Rötung, Brennen) oder zweiten (außerdem Blasenbildung) Grades. Die Haut ist zu Teilen zerstört und benötigt etwa zwei Wochen, um sich zu regenerieren. Zellen werden repariert oder abgestoßen, eine Entzündung signalisiert die hohe Immunaktivität. Der Sonnenbrand ist dabei bereits als Heilreaktion entstandener UV-Schäden zu verstehen. Doch diese hinterlassen Spuren und bleiben der Haut ein Leben lang im „Gedächtnis“. So besteht im Bereich häufig oder intensiv besonnter Hautpartien auch noch nach Jahrzehnten ein deutlich erhöhtes Krebsrisiko.

 

Wenn es zum Sonnenbrand kommt, kühlen Sie die Haut, z. B. mit Quarkumschlägen (kühlen Quark dick auf ein Tuch streichen und Stoffseite ca. 30 Minuten auf die Haut legen), trinken Sie reichlich und verzichten Sie ein bis zwei Wochen auf direkte Sonne. Auch kühle Auflagen mit Ringelblumen- oder Kamillentee, Johanniskraut- und Lavendelöl oder entzündungshemmende Kühlgele beschleunigen die Heilung. Bei Babys und Kleinkindern oder ausgeprägter Blasenbildung, starken Schmerzen, Nackensteifigkeit oder Übelkeit sollte ein Arzt aufgesucht werden.

 

Autor: 

Christian Zehenter,  Jahrgang 1972, Diplom-Sozialpädagoge, Heilpraktiker und Baubiologe, war Redakteur beim Naturarzt und der Deutschen Heilpraktiker Zeitschrift. Er arbeitet als Autor und Medizinjournalist. Für den Naturarzt verfasst er Gesundheits-Checks und Artikel. Zuletzt schrieb er u. a. über Medizinische Bäder (1/2012), Medizinische Leitlinien (8/2011) und „Krank durch Medikamente“ (5/2011).

 

Entnommen aus dem „Naturarzt“ Juni 2012

 

Welche Art von Sonnenschutz nötig ist und wie lange man sich in der Sonne aufhalten kann, hängt auch vom Hauttyp ab. 

 

Tipps zum Sonnenschutz 

Die wichtigsten Sonnenschutzmaßnahmen auf einen Blick:

► Schatten, undurchsichtige Kleidung, breitkrempiger Hut
► die Haut über einige Wochen an die Sonne gewöhnen
► von April bis August zwischen 10 und 15 Uhr direkte Sonne vermeiden, auch ansonsten in diesen Monaten vor direkter Besonnung der Haut immer eine Sonnenschutzcreme verwenden
► Solarium meiden
► besondere Vorsicht unter Wolken oder Beschattung, bei kühlem Wetter oder Fahrtwind (z. B. Gebirge oder Schiff), Schnee, großen Höhen und Wasseroberflächen
► Sonnenbrille mit UV-Schutz (CE- oder UV-400-Zeichen am Bügel), besonders bei sonnigem Wetter, Auto- oder Fahrradfahren
► T-Shirt und Hut/Kappe beim Baden
► Haut nicht zu stark bräunen
► Pkw-Seitenscheiben mit UV-Schutz (häufig ist nur die Frontscheibe damit ausgestattet)
► im Winter täglich mindestens 20 Minuten Tageslicht im Freien (Fensterscheiben filtern größtenteils das UV-Licht)
► Alle Schutzmaßnahmen gelten besonders für Kinder und nochmals verschärft für Säuglinge und Kleinkinder.

Das Eincremen mit konventionellem Sonnenschutz entfaltet erst nach 30 Minuten seine volle Wirkung. 

 

Sonnenschutz nach Hauttyp 

 

Merkmale:  Rötliche Haare, grüne bis blaue Augen, helle, empfindliche Haut, häufig Sommersprossen, immer Sonnenbrand bei direkter Sonne, keine Bräunung

Empfohlener Sonnenschutz:  Keine direkte Sonne von April bis August, schützende Kleidung (Kopfbedeckung, lange Hosen, langärmeliges Oberteil)

Typ:  1

 

Merkmale:  Blonde Haare, blaue bis graue Augen, helle Haut, Sonnenbrand nach einer Stunde, leichte Bräunung nach einer Woche

Empfohlener Sonnenschutz:  Max. 30 Minuten direkte Sonne (zu Beginn 10 Minuten). Lichtschutzfaktor 20

Typ:  2

 

Merkmale:  Braunhaarig, graue bis braune Augen, selten Sonnenbrand, deutliche Bräunung nach einer Woche

Empfohlener Sonnenschutz:  Max. 60 Minuten direkte Sonne (zu Beginn 15 Minuten). Lichtschutzfaktor 20, nach der Bräunung Faktor 8

Typ:  3

 

Merkmale:  Schwarze Haare, braune Augen, nie Sonnenbrand, rasche starke Bräunung

Empfohlener Sonnenschutz:  Max. 60 Minuten direkte Sonne, Lichtschutzfaktor 8 Typ

Typ:  4

Unter Rheuma versteht man ziehende, reißende oder fließende Schmerzen am Muskel- und Skelettsystem. Dahinter verbergen sich die verschiedensten Krankheiten. Medizinisch korrekt heißt es daher: Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises. Bei den entzündlichen Formen, wie chronische Polyarthritis, Morbus Bechterew oder der Arthritis bei Schuppenflechte, handelt es sich um ein Autoimmungeschehen, bei dem Abwehrzellen körpereigenes Gewebe angreifen. Die eigentliche Ursache ist zwar noch nicht geklärt, trotzdem gibt es erfolgreiche Behandlungsstrategien.

Der enorme Einfluss der Ernährung auf das rheumatische Geschehen ist nicht nur eine uralte Annahme der Naturheilkunde, sondern fasst sich seit einiger Zeit auch bis ins Detail erklären (siehe „Akteure des Rheumas und ihre Gegenspieler“).

 

Freie Radikale mit Selen unschädlich machen 

Eine bedeutende Rolle bei dieser Erkrankung spielen sogenannte freie Radikale. Das sind chemisch hochreaktive Moleküle, die biologisches Material, wie z. B. Zellmembranen, das Erbgut (DNS) oder Fettsäuren, angreifen und schädigen können. Diese aggressiven Radikale bildet der Körper entweder selbst, um z. B. Krankheitserreger abzuwehren, oder sie entstehen als Nebenprodukt der Atmung sowie durch Umwelteinflüsse (z.B. Strahlung, Chemikalien, Zigarettenrauch). Da besonders bei Entzündungsprozessen vermehrt freie Radikale anfallen, besteht bei Rheuma mit seiner chronisch erhöhten Entzündungsaktivität eine besondere Belastung mit freien Radikalen. Sie sind letztendlich für die Gelenkzerstörungen maßgeblich mitverantwortlich.

Der Organismus verfügt über eine Vielzahl von Abwehrmechanismen. Eines der wichtigsten Enzyme in diesem Zusammenhang ist die antioxidativ wirksame Glutathionperoxidase, die nur bei guter Selen-Versorgung in ausreichendem Maß entstehen kann. Im Blut von Rheumapatienten hat man jedoch erniedrigte Selen-Werte  im Vergleich zu Gesunden gefunden.

Einige klinische Studien haben ergeben, dass Selen-Gaben bei Rheuma tatsächlich zu einer deutlichen Schmerzreduktion, weniger Morgensteifigkeit und einer Abnahme der Gelenkschwellungen führen können. Eine Dosis von 100-200 μg täglich wird als sinnvoll und unschädlich angesehen. Am besten fährt man, wenn die Selentherapie anhand des Selenspiegels im Blut gesteuert wird. Dabei sollten Patienten mit Rheuma Selenwerte im oberen Normbereich oder knapp darüber anstreben. Dies ist mit konventioneller Ernährung praktisch nicht erreichbar. Eine preiswerte und hochdosierte Selentherapie kann beispielsweise mit Cefasel® 300 oder selen-loges® 300 (rezeptpflichtig), jeden zweiten Tag eine Tablette, erreicht werden.

 

Vitamine E und C dürfen im Therapieprogramm nicht fehlen 

Das andere Antioxidans, dem hier große Bedeutung beikommt, ist das Vitamin E.  Um deutliche antioxidative Wirkungen zu erzielen, sind so hohe Mengen erforderlich, wie sie mit der Ernährung nicht mehr zu erreichen sind. Eine Gabe von 800-1200 IE täglich sollte über längere Zeit durchgeführt werden. Man müsste etwa zwei Liter des an Vitamin E besonders reichen Sonnenblumenöls verzehren, um in diesen Dosisbereich zu gelangen.

Schädliche Nebenwirkungen wurden auch bei dieser „Mega-Therapie“ bisher nicht beobachtet. Es gibt eine Vielzahl von klinischen Studien, die einen Effekt von Vitamin E bei entzündlichen Gelenkerkrankungen belegen. Vitamin-E-Präparate sollten keine synthetisch hergestellten Substanzen enthalten, sondern natürliches Vitamin E (Pflanzenöldestillat mit RRR- α-Tocopherol), da dieses vermutlich wesentlich besser wirkt, so z. B. Mowivit® 1000 (1 x 1), Mowivit® 600 (2 x 1) oder E-Vitamin-ratiopharm 600 (2 x 1). Die Negativmeldungen über Vitamin E, die in letzter Zeit in der Presse auftauchten, sind auf die Nichtbeachtung dieser Tatsache zurückzuführen.

Bei Rheuma kommt es durch die Entzündung und die vermehrte Freisetzung von freien Radikalen nicht nur zu einem Mangel an Vitamin E, sondern auch an Vitamin C.  Patienten mit Rheuma haben oft einen erniedrigten Vitamin-C-Spiegel. Vitamin C ist außerdem in der Lage, „verbrauchtes Vitamin E“ wieder zu regenerieren. Beide Vitamine unterstützen sich gegenseitig. Sie sollten mehrere Gramm täglich (z. B. 3 x 1/4 TL bei Verträglichkeit) zuführen, im Schub gegebenenfalls mehr, eventuell sogar Infusionen mit 7,5 bis 15 g Vitamin C.

 

Auch Vitamin D unterstützt die Rheumabehandlung 

Neueste Forschungen zeigen, dass Vitamin D  nicht nur für den Knochen eine wichtige Rolle spielt, sondern auch in einem Zusammenhang mit Autoimmunkrankheiten wie Rheuma steht. Viele Menschen in Mitteleuropa haben erniedrigte Vitamin-D-Spiegel, die nicht nur Osteoporose, sondern auch Rheuma begünstigen. Manchmal sind die Vitamin-D-Spiegel sogar trotz Vitamin-D-Einnahme relativ niedrig. Unter Vitamin-D-Kontrollen kann dann die optimale Dosis herausgefunden werden, die oft weit über der normalerweise empfohlenen liegt. Eine Dosis von 1000-2000 IE Vitamin D ist meist erforderlich, z. B. Vitamin D3-Hevert Tabl. oder Vigantoletten® 1000, 1-2 pro Tag.

 

Omega-3-Fettsäuren dämmen die Entzündung erheblich ein 

Omega-3-Fettsäuren sind Bestandteile des berühmten Fischöls. Es handelt sich um mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Sie können vom Menschen nicht gebildet werden. Während die Zufuhr an Linolsäure (Omega-6-Fettsäure) in der deutschen Bevölkerung als ausreichend angesehen werden kann, ist die Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren keineswegs befriedigend. Das liegt daran, dass nur wenige Lebensmittel nennenswerte Mengen dieser wichtigen Fettsäuren aufweisen:

Fischöl circa 30 %
Leinöl 58%
Hanföl 20%
Rapsöl 10 %
Soja-, Walnussöl 5-7 %
Weizenkeimöl 5-7 %

 

Fische sind umso reicher an diesen Säuren, je fetter sie sind und je kälter das Wasser ist, in dem sie aufwachsen. Hering, Makrele, Thunfisch und Lachs eignen sich besonders gut, wenn man sich eine große Menge dieses Stoffes zuführen möchte, besonders wenn die Fische im Nordmeer gefangen wurden.

Allerdings ist aus ökologischen Gründen vom häufigen Fischverzehr inzwischen abzuraten. Die Fischbestände sind durch Überfischung stark dezimiert und die Fische zudem mit Schadstoffen sehr belastet. Bevorzugen Sie deshalb erstens Fisch aus Bio-Kulturen oder nachhaltigem Fischfang, erkennbar am MSC-Siegel. Aus ökologischen Gründen sollten wir zweitens andere Fettsäure-Quellen nutzen: Auch einige Pflanzenöle weisen relevante Mengen davon auf. Die Öle müssen immer kalt gepresst sein, da gerade die wertvollen Omega-3-Fettsäuren bei Raffinationsprozessen zerstört werden.

Omega-3-Fettsäuren behindern die Entstehung sowohl von entzündungsfördernden Prostaglandinen als auch von Leukotrienen, die mit den Prostaglandinen verwandt sind. Mit der Zufuhr von mindestens 2 g Omega-3-Fettsäuren pro Tag lassen sich die erwünschten Effekte erzielen. Spürbare Auswirkungen sind allerdings erst nach einigen Wochen bis Monaten zu erwarten, da die Fettsäure-Pools im Organismus nur langsam ausgetauscht werden und es entsprechend lang dauert, bis die Arachidonsäure durch Omega-3-Fettsäuren verdrängt wird.

 

Arachidonsäure meiden: Verzicht auf tierische Fette! 

Studien belegen mittlerweile, dass entzündliche Erkrankungen wie Rheuma, Psoriasis oder chronische Darmentzündungen unter einer Omega-3-fettsäurereichen Diät oder Gabe von entsprechenden Nahrungsergänzungen eine Besserung bzw. eine geringere Rezidivhäufigkeit aufweisen. Bei Eskimos, die natürlicherweise sehr viele Omega-3-Fettsäuren verzehren, sollen diese Krankheiten fast nicht vorkommen. Wenn Eskimos aber in die USA oder nach Dänemark emigrieren, gleichen sich die Erkrankungsraten denen der Einheimischen an. Das beweist, dass nicht genetische, sondern Umweltfaktoren (in erster Linie wohl Ernährung) für den Schutz der Eskimos vor entzündlichen Krankheiten verantwortlich sind.

Für alle hier beschriebenen Nährstoffe sind günstige Effekte auf entzündliche Erkrankungen wie das Rheuma belegt. Da diese Mittel teilweise an unterschiedlichen Punkten im Arachidonsäure-Stoffwechsel ansetzen, sollte sich mit einer kombinierten Therapie (siehe Kasten „Therapie bei Rheuma“) die entzündungshemmmende Wirkung ergänzen und verstärken. Hierzu gibt es allerdings noch keine Studien.

 

Therapie bei Rheuma 

► Gegebenenfalls schulmedizinische Rheuma-Therapie

► Vitamin C mindestens 3 x 1 g, im Schub noch mehr

► Selen 100-200 μg, im Schub 300 μg

► Vitamin E 1000-1200 IE

► Omega-3-Fettsäuren mindestens 2 g pro Tag: 6-12 Fischölkapseln oder 2 TL Lein- oder Hanföl (z. B. auf Pellkartoffeln oder Brot, in Suppe oder Salat)

► Vorwiegend vegetarische Kost unter Verzicht auf Pflanzenöle mit viel Omega-6-Fettsäuren (Sonnenblumen- und Distelöl)

► Viel Bewegung, ohne Belastung der Gelenke, z. B. mit Radfahren, Schwimmen, Nordic Walking oder Gymnastik

 

Sinnvollerweise ergänzt eine überwiegend vegetarische Ernährung mit weitreichendem Verzicht auf tierische Fette eine solche Kombinationstherapie. Dadurch wird einerseits die Zufuhr von Arachidonsäure vermindert, so dass das Gleichgewicht noch weiter zu Gunsten der „entzündungshemmenden Fettsäuren“ verschoben wird. Zum anderen ist bei vegetarischer Kost gleichzeitig eine höhere Zufuhr an weiteren antioxidativen Nährstoffen besser gewährleistet: in erster Linie Vitamin A bzw. Betakarotin und Vitamin C, aber auch bioaktive, sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe, von denen mittlerweile antioxidative Effekte bekannt sind (z. B. Anthocyane in der roten Traube). Omega-6-reiche Pflanzenöle wie Sonnenblumen- oder Distelöl sollten Sie bei Rheuma eher meiden.

 

Besserung sollte bereits nach vier Wochen eintreten 

Die Auswirkungen einer solchen Therapie müssten – bei gleichzeitiger sonstiger antirheumatischer Medikation – etwa nach vier Wochen subjektiv deutlich spürbar sein. Auch Entzündungswerte im Blut können sich dann bereits verbessern. Die Effekte werden in der Regel nach mehreren Monaten bis zu einem Jahr optimal ausgeprägt sein. Sollten nach etwa drei Monaten keinerlei positive Veränderungen bemerkt werden spielen der Arachidonsäure-Stoffwechsel und die freien Radikale hier wohl keine große Rolle; diese Therapie braucht dann nicht mehr fortgeführt zu werden.

Die Erfahrung zeigt aber, dass die meisten Patienten mit Rheuma auf ein solches Programm gut, in Einzelfällen sogar sehr gut ansprechen. Bei entsprechender subjektiver und objektiver Besserung können möglicherweise nach und nach die konventionellen Antirheumatika ausgeschlichen werden. Dies sollte aber immer mit dem behandelnden Arzt abgesprochen werden, wie auch die gesamte Kombi-Therapie, besonders die Mengen der jeweiligen Nährstoffe.

 

Autor: 

Dr. med. Volker Schmiedel,  Jahrgang 1958, ist Facharzt für physikalische und rehabilitative Medizin mit den Zusatzbezeichnungen Naturheilverfahren und Homöopathie. Seine wissenschaftliche Arbeit konzentriert sich auf die Gebiete Fettstoffwechselstörungen und Ernährung. Er ist Chefarzt der Inneren Abteilung der Habichtswaldklinik in Kassel.

 

Entnommen aus dem „Naturarzt“ April 2007

 

Akteure des Rheumas und ihre Gegenspieler 

Wenn Rheumatiker die Zufuhr von Arachidonsäure mit der Nahrung einschränken würden, bräuchten sie nicht so viele Medikamente, die dann verhindern, dass daraus entzündungsfördernde Substanzen gebildet werden.

Aus Untersuchungen der letzten Jahre wissen wir, dass bestimmte entzündungsfördernde Botenstoffe im Körper an der Entstehung beziehungsweise Verstärkung von Rheuma beteiligt sind. Diese Botenstoffe entstehen aus der Arachidonsäure,  einer mehrfach ungesättigten Fettsäure, die mit der Nahrung zugeführt oder aus Linolsäure  im Organismus selbst gebildet wird. Generell sind tierische Fette arachidonsäurereich, pflanzliche Fette arachidonsäurearm. Aus der Arachidonsäure kann eine Vielzahl von Folgeprodukten gebildet werden (Prostaglandine  der Gruppe 2, Leukotriene),  die u. a. Entzündungsaktivität, Blutgerinnung, Fettstoffwechsel, Wasserhaushalt und Blutdruck beeinflussen.

Die übliche schulmedizinische Therapie bei Rheuma zielt auf die Hemmung der entzündlichen Aktivität durch nichtsteroidale Antirheumatika  (NSAR) oder Kortisonpräparate ab. Kortison unterdrückt die Synthese von Arachidonsäure aus körpereigenen Omega-6-Fettsäuren  (z. B. der Linolsäure) und damit auch die Entstehung entzündungsfördernder Leukotriene und Prostaglandine.

NSAR hemmen die Bildung von Prostaglandin und mindern auf diese Weise die Entzündungsaktivität. Arachidonsäure und ihre „Gegenspieler“, die Omega-3-Fettsäuren,  können mittlerweile auch im Blut gemessen werden. Dabei sollte ein Quotient zwischen den entzündungsfördernden Omega-6- und den entzündungshemmenden Omega-3-Fettsäuren von unter 3,5 angestrebt werden. (Speziallabore, die solche Messungen durchführen, sind: Ganzimmun, Hans-Böckler-Str. 109, 55128 Mainz oder Labor Dr. Bayer, Bopserwaldstr. 26, 70184 Stuttgart.)

Aus den Zwischenprodukten des Arachidonsäure-Stoffwechsels entstehen außerdem freie Radikale.  Deshalb spielen Antioxidantien in der Rheumatherapie eine so wichtige Rolle, weil sie diese unschädlich machen können.